Resilienz bei Hunden: für ein besseres Wohlbefinden und einen entspannteren Alltag

Veröffentlicht am 23. April 2024 um 16:10

Furry Fellows_Resilienz bei Hunden aufbauen

Das Thema Stress ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig.

Viele Menschen fühlen sich erschöpft und überfordert. Unsere Welt ist sehr schnelllebig und sie wird gefühlt immer komplizierter.

Berufliche Anforderungen verändern sich fortwährend. Sorgen und Nöte nehmen Platz im nächtlichen Gedankenkarussell und stehen Schlaf und Erholung im Weg.

Hinzu kommt die tägliche Konfrontation mit Krisen, Kriegen und anderen besorgniserregenden Entwicklungen.

Es gibt leider kein allgemein gültiges Rezept, um einen Weg zu finden, all den Anforderungen unseres Alltags gerecht zu werden und dabei körperlich und psychisch gesund zu bleiben. Wie ein Individuum mit Stress umgeht, hängt sehr stark von der Genetik und der Persönlichkeit ab.

Mit einem angeborenen, gesunden Optimismus hat man allein dadurch schon ein wirksames Tool, um eine innere Widerstandskraft gegen Stress aufzubauen und allgemein gelassener auf Auslösereize zu reagieren.

Es gibt aber trotzdem ein paar Stellschrauben, an denen man drehen kann, um im persönlichen Bereich, also dort, wo wir Einfluss nehmen können, ein Gefühl der Zufriedenheit und Kontrollfähigkeit zu erreichen. Diese Stellschrauben werden in dem Konzept der Resilienz zusammengefasst.


In diesem Beitrag wollen wir uns damit beschäftigen, wie wir unsere Hunde emotional fitter, resistenter und selbstbewusster für unseren Alltag mit all seinen Herausforderungen machen. Denn, wenn wir ehrlich sind, ist es unser Alltag, den sie leben.


Im Humanbereich spielt die innere Grundhaltung als eine von vielen Stellschrauben des Konzepts der Resilienz eine große Rolle. Dinge wie Selbstakzeptanz oder Selbstreflexion werden als relevant angesehen, welche jedoch auf unsere Hunde schwierig zu übertragen sind.

Dafür gibt es wiederum andere Elemente, die wir sehr gut auch mit Hunden trainieren können. Unsere Stresssysteme sind identisch aufgebaut.

Die Resilienz als psychologischer Begriff stammt eigentlich aus der Materialkunde, in der man Stoffe als resilient bezeichnet, wenn diese auch nach extremer Spannung wieder zurückkehren in ihren Ursprungszustand.

Resilienz beschreibt die Fähigkeit, mit Stress flexibel umzugehen, Krisen und Rückschläge nicht einfach nur irgendwie zu überstehen, sondern gestärkt aus ihnen herauszugehen. Mit jeder neuen Herausforderung wächst man und baut dadurch ein immer stärker werdendes Resilienz-Polster auf.

Dieses Polster lässt einen bei zukünftigen Stressauslösern nicht mehr so tief fallen, der Aufprall hinterlässt weniger Spuren und man erholt sich schneller. Kannst du dich noch an die große, blaue Matte vom Sportunterricht in der Schule erinnern? Man wusste, sie fängt den Aufprall ab und man hat sich deswegen getraut, neue herausfordernde Sprünge zu wagen.

Ein Resilienz-Polster ist wie ein Muskel, der mit jeder Trainingseinheit wächst und dadurch mit der Zeit immer stärker wird. Hieraus können wir bereits entnehmen, dass das Vermeiden von Stress nicht zu mehr Resilienz führen kann.

Es kommt wie so oft auf die richtige Dosis an. Beansprucht man einen Muskel überhaupt nicht und vermeidet jegliche Art von Anstrengung, wird dieser Muskel nicht die Möglichkeit haben, sich zu entwickeln und zu wachsen. Übertreibt man es jedoch mit dem Training und macht keine Erholungspausen, erreicht man nur eine Überforderung und Überlastung.

Dieser Zustand gleicht im übertragenden Sinn dem „chronischen Stress“, der, wie wir dank der Stressforschung bereits seit Jahrzehnten wissen, sehr schädlich ist.

Im Gegensatz zum hilfreichen und überlebenswichtigen „Kurzzeit-Notfall-Programm“, welches Energie für die Flucht-oder-Kampf Reaktion freischaltet, führt chronischer Stress zu einer langandauernden Cortisolausschüttung. Es wird weiterhin Cortisol produziert, obwohl die eigentliche Stresssituation schon lange überstanden ist.

Cortisol hat einen großen Einfluss auf das Gehirn, die wichtige Schaltzentrale, wo Verhalten entsteht und wo es auch gesteuert wird.

  • Das dauerhafte Feuern von Cortisol kann den Teil des Gehirns, der am Lernen und an der Gedächtnisbildung beteiligt ist, dauerhaft und irreversibel schädigen.
  • Cortisol beeinträchtigt die Großhirnrinde, wodurch die Fähigkeit zur Impulskontrolle sinkt.
  • Chronische Cortisolausschüttung verändert zudem Prozesse im Belohnungszentrum, wodurch sich Belohnungen im Training und im Alltag nicht mehr so gut anfühlen. Stattdessen zeigen Hunde vermehrt selbstbelohnendes Verhalten. Für das Gehirn ist dies eine Strategie, sich trotz des vielen Stresses doch noch ein bisschen gut zu fühlen. Es greift nun deshalb öfter auf selbstbelohnendes Verhalten zurück, was unter Umständen zu exzessiven Verhaltensweisen oder Stereotypien und Zwangshandlungen führen kann.
  • Erhöhte Cortisolwerte beeinflussen die Schlafqualität, welche so wichtig ist für die Erholung, für das Auftanken der Impulskontrolle, für die Festigung von Gedächtnisinhalten und für die Verarbeitung von Erlebnissen.

Dies sind alles Auswirkungen, die den Alltag und das Training mit unseren Hunden nicht nur negativ beeinflussen, sondern zudem auch unerwünschte Verhaltensweisen verursachen können.

Bei einer zu langen Belastung kippt das Ganze irgendwann, wodurch der Cortisolspiegel und auch die Ausschüttung von Endorphinen unter den Normwert fallen. Dies hat negative Auswirkungen auf das Immunsystem und auf das Schmerzempfinden.

Ein Teufelskreis setzt sich in Gang, da gerade ein intaktes Immunsystem vor Krankheiten schützt und ein sensibleres Schmerzempfinden ein weiterer Stressor ist.


Was können wir also praktisch unternehmen, um das Konzept der Resilienz auf unsere Hunde zu übertragen und somit das Training und den Alltag angenehmer für sie zu gestalten?


Milder Stress mit dem gleichzeitigen Erlernen von Bewältigungsstrategien hilft bei der Entwicklung von Resilienz.

Wir erinnern uns an den Vergleich mit dem Muskel, der ganz ohne Beanspruchung nicht wachsen kann.

Jedoch wird die alleinige Konfrontation mit Stress einen Hund nicht resilient machen. Erst zusammen mit der Erfahrung, dass er mithilfe von Bewältigungsstrategien den Stress managen kann, kommt es zum Aufbau von Resilienz.

Das Beachten einer passenden Lernumgebung ist für den Faktor „milder Stress“ sehr wichtig. Es ist oft nicht möglich, alles perfekt zu arrangieren, aber Hunde sollten sich sicher fühlen und das Umfeld als angenehm empfinden. Arbeitet man beispielsweise an Angstauslösern, sollten diese dem aktuellen Trainingsstand angepasst sein (Intensität, Distanz, Dauer, etc.). Das sogenannte „Flooding“ aus dem Bereich der Konfrontationstherapie ist tierschutzwidrig.

Die oft empfohlene Abhärtung im Sinne von „Da muss er durch, sonst lernt der das nicht“ sollte man also stark hinterfragen.

„Bewältigungsstrategie“ (oder auch bekannt als „Copingstrategie“ oder „Coping“) klingt erstmal sehr theoretisch. In der Umsetzung bedeutet es, dass du auf die Kontrollerfahrung und Entscheidungsfreiheit deines Hundes achtest. Er darf selbst entscheiden, ob er einen Stressor lieber meidet oder ihn erstmal auf Abstand beobachtet, um die Situation in Ruhe bewerten zu können.

Kontrollerfahrung und Entscheidungsfreiheit sind wichtige Voraussetzungen für das Gefühl von Selbstwirksamkeit, ein wichtiges Element der Resilienz. Hiermit wird beschrieben, dass man Ereignisse in seinem Leben durch das eigene Handeln steuern kann, dass man selbst etwas bewirken kann und in schwierigen Situationen die Kontrolle behält.

Du kannst dein Training so aufbauen, dass ganz nebenbei auch ein Start- und Exit-Signal etabliert wird. Über dieses starke Selbstwirksamkeits-Tool kann dein Hund dir mitteilen, wann er eine Pause braucht und wann es wieder losgehen kann. Du kennst solche Signale von deinem Hund bestimmt auch aus eurem Alltag. Sie entwickeln sich mit der Zeit oft von selbst; man muss seinen Hund nur aufmerksam beobachten und auf ihn eingehen.

Wenn wir beispielsweise im Sommer draußen länger unterwegs sind, schaut Nala zu der Wasserflasche an meinem Rucksack, um mir mitzuteilen, dass sie durstig ist und gerne etwas Wasser trinken würde. Das Beachten von Bedürfnissen trägt allgemein zur Selbstwirksamkeit und zum Wohlbefinden bei.

Du kannst deinen Hund bei seiner Umwelterkundung unterstützen und ihm Sicherheit und Social Support geben. Gemeinsame Erkundungen und Suchspiele mit Objekten oder Futter machen zudem sehr viel Spaß und sorgen für körperliches und emotionales Wohlbefinden. Bitte beachte, dass es keine gute Idee ist, wenn du dich während eures Spazierganges einfach plötzlich versteckst, damit dein Hund lernt, auf dich zu achten. Dies wird oft als „Bindungsübung“ verkauft.

Sichere Bindung bedeutet jedoch, dass dein Hund weiß, dass er abtauchen kann in seine Hundewelt, um alles in Ruhe zu erkunden, alle Pee-Mails zu lesen und seine Likes zu hinterlassen.

Ein gemütlicher Schlaf- und Ruheplatz für einen ungestörten Schlaf ist äußerst wichtig für deinen Hund. Man liest oft, dass der Fokus auf der Quantität liegt, für eine gute Erholung spielt jedoch auch die Schlafqualität eine große Rolle.

Mit Erholung ist keine erzwungene Ruhe gemeint. Dies wäre für das Runterfahren eher kontraproduktiv, da der Zwang deinen Hund wieder stressen würde. Stattdessen kannst du in die Aktivität mit einsteigen, mit deinem Hund spielen oder zergeln und schrittweise nach und nach zu ruhigeren Spielen übergehen, bis dein Hund sich runterfährt und über Kontaktliegen, wenn er das mag, schlafen kann.

Wir wissen, wie wichtig Ankündigungen für Hunde sind, besonders bei Pflegemaßnahmen und beim Tierarzttraining. Aber auch im Alltag geben Ankündigungen Sicherheit und Vorhersehbarkeit. Man sieht leider oft, dass gerade kleine Hunde von ihren Menschen einfach plötzlich hochgehoben werden, ohne dass sie sich darauf vorbereiten konnten.

Man stelle sich vor, ein Riese zieht einen plötzlich an der Kapuze hoch und man verliert buchstäblich den Boden unter den Füßen. Dies wäre ein extrem unangenehmes Gefühl von Kontrollverlust! Weiß man jedoch, was als nächstes passiert, kann man sich mental darauf vorbereiten und reagiert sicherer und souveräner.

Für uns Menschen sind auch ganz oft die Situationen am schwierigsten, deren Verlauf und Ausgang nicht vorhersehbar sind. Wir werden unsicher, weil wir nicht wissen, was passieren wird.


Für unsere Hunde ist Selbstwirksamkeit, also die Kontrollerfahrung und Entscheidungsfreiheit, sehr wichtig in ihrem Alltag.


Hunde leben unser Leben. In unserer Obhut ist die Befriedigung ihrer Bedürfnisse vollkommen von uns abhängig:

Wann darf ich nach draußen gehen? Wann, was, wie viel bekomme ich zu essen? Bekomme ich überhaupt etwas zu essen? Steht mir mein Wassernapf 24/7 zur Verfügung? Warum darf ich nicht mit der tollen Nachbarshündin anbändeln, die seit ein paar Tagen so unwiderstehlich duftet? Sehen meine Menschen, ob es mir gut geht, ob ich Schmerzen habe, ob ich unterfordert oder überfordert bin, ob mein Körbchen groß genug ist und an einem gemütlichen Ort steht? Können sie mein Verhalten verstehen? Wollen sie meine Sprache erlernen und fair und freundlich mit mir kommunizieren?

Furry Fellows_Entscheidungsfreiheit

Da ist es doch nicht schlimm, wenn ein Hund auch mal vorgeben darf, welchen Weg er auf der Gassirunde einschlagen möchte. 😉

Wenn man mal testet, welche Leckerli er wirklich bevorzugt oder wenn ein Hund entscheiden darf, dass er während des Alleinebleibens auf dem Sofa liegt, weil er mit dem Geruch seiner Menschen die schwierige Zeit besser bewältigen kann.

Daneben erleben unsere Hunde unseren Alltag mit all seinen Höhen und Tiefen hautnah mit. Sie beobachten uns ganz genau und werden durch unser Handeln und unsere Gemütslage sehr beeinflusst.

Soziales Lernen oder auch Lernen durch Beobachtung spielt hier eine große Rolle. Hunde nehmen den menschlichen Umgang untereinander sehr bewusst wahr: Wie behandeln wir unsere Familienmitglieder? Wie gehen wir generell mit anderen Lebewesen um, mit anderen Hunden und mit Spaziergängern auf unserer Gassirunde? Grüßen wir freundlich oder reagieren wir mürrisch, wenn uns ein Mensch-Hund-Team entgegenkommt?

Wenn wir uns das alles mal ehrlich vor Augen führen, sehen wir erstmal, welche Verantwortung wir gegenüber unseren Hunden haben, und man kann durchaus sagen, dass ihr Wohlbefinden komplett in unserer Hand liegt. Und zum Wohlbefinden gehört auch die Fähigkeit, mit Stress umzugehen. 😊


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Entspannung ist für jeden Hund wichtig: vom Welpen bis zum Seniorhund oder auch für Hibbelhunde, Problemfellchen & Co. 🐶 Ich freue mich auf unser Training!